Freitag, 27. September 2013

Schleichende Islamophobie?

Antiminarettinitiative, Schulausschluss von Mädchen mit Kopftüchern, Burkaverbot im Tessin, bald vielleicht schon Burkaverbot in der ganzen Schweiz… Dass sich politische Gruppierungen und Parteien mittels Feindbildern, Schuldzuweisungen und Schwarzweissdenken zu «profilieren» versuchen – vor allem dann, wenn sie sonst nicht viel zu bieten haben – ist hinlänglich bekannt. Dass nun aber auch ein «seriöses» Schweizer Presseorgan wie der «Tages-Anzeiger» neuerdings auf die Islamophobie-Welle aufspringt, ist mehr als bedenklich. Am 16. September 2013 stellte TA-Mitarbeiter Michael Meier in seinem «Montagsporträt» auf einer halben Seite, prominent platziert und mit Bild, den «Islamwissenschaftler» Andreas Maurer vor. Folgenden Text habe ich dem «Tages-Anzeiger» in Form eines Leserbriefs zugeschickt, er ist aber nicht veröffentlicht worden. Es sind bis jetzt auch keine anderen Leserbriefe zu diesem Thema erschienen.
Dass Michael Meier in seinem Artikel den Evangelikalen Andreas Maurer, der bei Muslimen in der Schweiz für den christlichen Glauben missioniert, als «Islamwissenschaftler» bezeichnet, und dies ohne Anführungszeichen und ohne jeden kritischen Kommentar, hat mich mehr als erstaunt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Andreas Maurer tatsächlich ein wissenschaftliches Islamstudium absolviert hat, sonst käme er nämlich kaum auf so abstruse Behauptungen wie die, dass der Koran nur schon «deshalb nicht eine göttliche Heilsbotschaft» sein könne, «weil er so zentrale biblische Glaubenswahrheiten wie die Dreieinigkeit, den Kreuzestod und die Gottessohnschaft Jesu negiere». Auch Maurers Behauptung, der Islam sei eine «Religion der Angst», klingt aus dem Munde eines Evangelikalen mehr als stossend, wenn man bedenkt, wie gezielt gerade evangelikale Missionare und Prediger das Mittel des Angstmachens einsetzen. Das achtjährige Mädchen, das abends vor Angst nicht einschlafen konnte, weil seine – evangelikale – Religionslehrerin gesagt hatte, jeder schlechte Gedanken verursache im Herzen eines Menschen einen schwarzen Fleck, der für immer dort bleibe, ist nur eines von zahllosen Beispielen, die man an dieser Stelle aufführen könnte. Wer schliesslich, wie Maurer, sogar so weit geht, es für möglich zu halten, dass «das Gebilde Islam eines Tages zusammenfallen wird wie einst der Kommunismus», müsste sich mindestens die Gegenfrage gefallen lassen, ob nicht auch das Christentum – zumindest in der fundamentalistischen Art und Weise, wie es hier als «einzige Wahrheit» propagiert wird – allmählich am Ende seiner Geschichte angelangt sein könnte.

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