Sonntag, 19. Januar 2014

Notwendige Auseinandersetzung mit der Grenze zwischen Humor und Menschenverachtung

In einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 18. Januar vertritt Kabarettist und TV-Moderator Victor Giacobbo die Ansicht, es sei «lächerlich», dass der Theatermacher Samuel Schwarz und der Lyriker Raphael Urweider gegen das Schweizer Fernsehen eine Strafanzeige einreichen wollen wegen eines Sketchs, in dem Birgit Steinegger eine dunkelhäutige Frau gespielt hat. Diese Aussage Giacobbos erstaunt mich sehr, da die Art und Weise, wie die Person dargestellt wurde – mit rollenden Augen, dickem Hintern und einer rudimentären Sprache –, eindeutig diskriminierend wirkt und wegen ihres rassistischen, in den USA als «Blackfacing» bezeichneten Hintergrunds dort schon lange verpönt ist. Künstlerische Freiheit in Ehren, sie hat aber dort ihre Grenze, wo Humor in Respektlosigkeit und Menschenverachtung umzuschlagen beginnt. Dass diese Grenze in letzter Zeit zunehmend durchlässiger zu werden scheint und die Intervention von Schwarz und Urweider daher auch im Sinne einer Signalwirkung überaus wichtig ist, zeigt auch das Beispiel des mit dem Deutschen Kabarettpreis 2013 ausgezeichneten Schweizer Satirikers Andreas Thiel, der sich gerne über ganze Völker, Religionen und Kulturen diffamierend auslässt, Vorurteile und Feindbilder schürt und sich kürzlich in einem Zeitungsinterview sogar zur Aussage verstieg, Muslime seien «irgendwo im Übergang zwischen Neandertaler und Homo sapiens stecken geblieben.» Wenn denen, die so etwas nicht lustig finden, vorgehalten wird, sie seien humorlos, dann müsste man wohl wieder einmal in Erinnerung rufen, dass wahrer Humor nichts zu tun hat mit Menschenverachtung und Hass, sondern im Gegenteil: mit Respekt, Sorgfalt und der Kunst, sich nicht über andere, sondern über sich selber lustig zu machen.

2 Kommentare:

  1. Zum Thema. Den Humor finde ich jetzt gut. Exakt was übertriebenes Moralisieren betrifft. Undifferenziertes Moralisieren Ist auch Rassismus.
    https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=5Q7yQkeqyGg

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  2. elisabeth gantenbein22. Januar 2014 um 23:53

    Echtes Kabarett ist Kunst, Sprachkunst, die den Spiegel vorhält in einer Weise, die es fertig bringt, letztlich über sich selbst zu lachen. Kabarett ist auch die Kunst, die aufzeigt, was nicht stimmt, die aufdeckt. Kabarett ist auch politisch. Gutes Kabarett hat es nicht nötig, plump oder diffamierend zu sein. Andreas Thiel hat diese Kunst, so wie ich ihn bis jetzt gehört habe, nicht erlangt. Die Preisverleihung ist für mich nicht nur fragwürdig sondern auch gefährlich, da mit dem Preis auch Grenzüberschreitungen zum menschenverachtenden Äussern sanktioniert wird.

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