Mittwoch, 23. Oktober 2013

Was ist Arbeit?

Wenn du ein Kind, dessen Mutter den Haushalt besorgt und keiner ausserhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehst, fragst: «Was arbeitet deine Mutter?», wirst du mit allergrösster Wahrscheinlichkeit zur Antwort bekommen: «Nichts. Sie macht nur den Haushalt.» Diese doch ziemlich willkürliche und einseitige Auffassung und Definition dessen, was Arbeit ist und was nicht, finden wir aber nicht nur in den Köpfen von Kindern «nichtberufstätiger» Mütter oder Väter, sondern, wie ich bei der Lektüre des heutigen «Tages-Anzeigers» feststellen konnte, selbst bei akademisch gebildeten und wissenschaftlich tätigen Fachpersonen, von denen man eigentlich eine etwas differenziertere Sichtweise erwarten würde. Da äussert sich doch François Höpflinger, Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich mit dem Schwerpunkt Familien-, Alters- und Generationenfragen, zur Frage nach der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karrierechancen wie folgt: «Selbstbewusste Frauen sehen die Mutterschaft nicht als Hindernis für ihre Berufschancen, sondern als eine Phase im Leben, die es auszukosten gilt. Arbeiten können sie später noch genug.»
   Wäre es angesichts solcher Bilder in unseren Köpfen nicht höchste Zeit, Sinn und Wert von Arbeit bzw. «Nichtarbeit» einmal ganz grundsätzlich zu hinterfragen und allenfalls neu zu definieren? Es kann ja wohl unmöglich der Weisheit letzter Schluss sein, jede noch so absurde und sinnlose Art von Arbeit wie etwa – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen – das Hin- und Herschieben irgendwelcher Protokolle und Formulare zwischen verschiedenen Abteilungen einer Firma, das gegenseitige Abwerben von Kundschaft durch Telefonate und Werbebriefe oder das Aufstapeln einer Unmenge an Waren und Produkten, von denen man schon von Anfang an wissen müsste, dass sie eh niemand kaufen wird, nur deshalb als «echte» Arbeit zu bezeichnen, weil man damit Geld verdienen kann. Während eine gesamtgesellschaftlich gesehen so elementare, wichtige und letztlich unerlässliche Arbeit wie die einer Mutter, eines Vaters, einer Hausfrau oder eines Hausmanns nur deshalb nicht als Arbeit wahrgenommen wird, weil sie zum Nulltarif geleistet wird.

2 Kommentare:

  1. "Selbstbewusste Frauen sehen die Mutterschaft nicht als Hindernis für ihre Berufschancen, sondern als eine Phase im Leben, die es auszukosten gilt. Arbeiten können sie später noch genug."
    Arbeit bedeutet in der gesellschaftlichen Produktion anderes, als die Arbeit um das Leben zu gestalten. Alltag und gesellschaftliche Produktion sind 2 unterschiedliche Systeme. Alltagsleben beschäftigt die Politikern nicht, Alltagsleben ist Privatsache. Für Ökonomen bedeutet die Hausarbeit keinen Wert.

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  2. Peter hat Recht mit der Aussage, auch nichtbezahlte Tätigkeiten sollten Arbeit genannt werden dürfen. Grosszügigerweise sollte dies jedoch weiterhin auch für bezahlte Tätigkeiten gelten dürfen. Egal ob sinnlos oder nicht. Sonst wird es irgendwann einmal verdammt kompliziert.

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