Mittwoch, 9. Oktober 2013

Der Staat als «Bösewicht»


«Lohndiktat vom Staat?» - mit diesem Slogan wollen uns die Gegner der 1:12-Initiative weismachen, dass eine gesetzliche Beschränkung der maximalen Lohnschere zwischen Tiefst- und Höchsteinkommen so etwas wäre wie ein unnötiger, unzulässiger, schädlicher und deshalb unbedingt zu bekämpfender Eingriff in die persönliche Freiheit des Einzelnen und der Wirtschaft. Dabei aber wird gänzlich ausgeklammert, dass unsere Löhne schon längstens von einer viel höheren und viel stärkeren Macht bestimmt werden, als es der Staat jemals gewesen ist. Diese Macht ist der so genannte «Freie Markt», der das einzelne Unternehmen dazu zwingt, mit möglichst geringen Lohnkosten eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, um sich im gegenseitigen Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen behaupten zu können. Aber es ist eben viel einfacher, den Staat als «Bösewicht» hinzustellen, weil man sich - mit den Politikern, den Gesetzen, den Steuern, usw. - darunter etwas ganz Konkretes vorstellen kann, während der «Freie Markt» ein unsichtbares und viel weniger konkretes Machtgebilde darstellt, das sich - im Gegensatz zu den vom Volk gewählten Politikerinnen und Politikern - erst noch jeglicher demokratischer Kontrolle entzieht. Dass diejenigen, welche das «Lohndiktat vom Staat» bekämpfen, nicht mit der gleichen Vehemenz auch das ungleich viel schlimmere «Lohndiktat vom Freien Markt» bekämpfen, ist der beste Beweis dafür, dass es ihnen eben nicht so sehr um das Wohl der arbeitenden Menschen geht, sondern weit mehr darum, dass sich an den bisherigen Rahmenbedingungen einer «freien» Wirtschaftsordnung, die ein immer grösseres Auseinanderdriften zwischen schlecht bezahlter Arbeit auf den untersten Etagen und exorbitanter Gewinnanhäufung auf den obersten Etagen der gesellschaftlichen Machtpyramide zur Folge hat, möglichst nichts ändert.

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