Donnerstag, 24. Oktober 2013

Späte Einsicht

Ausgerechnet im Jahr ihres vielgefeierten 125jährigen Bestehens hat die schweizerische Sozialdemokratie wohl eines der unrühmlichsten Kapitel ihrer Parteigeschichte geschrieben. Offensichtlich weit mehr darauf bedacht, ihren «Regierungspartnern» nicht auf die Füsse zu treten statt sich in aller Klarheit und Deutlichkeit für die Bewahrung humanitärer Traditionen unseres Landes auszusprechen, ist SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga in ihrer Funktion als Justizministerin zur wichtigsten Wortführerin jener Asylgesetzverschärfungen geworden, denen das Schweizer Volk am 9. Juni 2013 schliesslich mit einer Mehrheit von 78,5 Prozent zugestimmt hat und die unter anderem zur Abschaffung des Botschaftsasyls geführt haben, dank dem verfolgte und Schutz suchende Menschen bisher in ihrem jeweiligen Herkunftsland auf einer Schweizer Botschaft ein Asylgesuch stellen konnten und dadurch nicht gezwungen waren, gefährliche Fluchtwege durch Kriegsgebiete oder übers Meer auf sich zu nehmen. Dass sich die SP nicht einmal zur Ergreifung des Referendums gegen diese Asylgesetzrevision durchringen konnte, dass die Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage und damit auch zur Abschaffung des Botschaftsasyls mit über 78 Prozent dermassen hoch ausfiel und dass, wie eine entsprechende Umfrage ergeben hat, sogar traditionell SP-Wählende zu 54 Prozent dieser Vorlage zustimmten – dies alles wäre wohl kaum möglich gewesen, wenn die gleiche Gesetzesvorlage von einer «bürgerlichen» Bundesrätin vertreten worden wäre oder wenn Bundesrätin Sommaruga Klartext gesprochen hätte, statt sich ängstlich hinter dem so genannten «Kollegialitätsprinzip» zu verstecken. Es klingt schon mehr als zynisch, wenn Simonetta Sommaruga nun plötzlich – angesichts der immer dramatischere Ausmasse annehmenden Flüchtlingstragödie vor den Küsten Siziliens und Lampedusas – in einem Gespräch mit Radio SRF einräumt, die Wiedereinführung des Botschaftsasyls wäre, um das Flüchtlingsproblem zu lindern, allenfalls «eine Überlegung wert». Wie wenn sie das alles nicht schon vorher gewusst hätte und wie wenn nicht in den vergangenen zwanzig Jahren bereits rund 20‘000 Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer ihr Leben verloren hätten!
   Ist das der Preis, den die Sozialdemokratie für ihre Beteiligung an der Regierungsmacht zu bezahlen hat? Wenn dem so wäre und das weiterhin so bliebe, dann wäre am 125jährigen Jubiläumsfest der SPS nicht allzu viel zu feiern gewesen…

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