Donnerstag, 17. Juli 2014

Armut ein komplexes Problem?

Armut sei ein komplexes Problem, schreibt Redaktor Richard Clavadetscher im «St. Galler Tagblatt» vom 16. Juli 2014 in Anbetracht von 590‘000 Armutsbetroffenen in unserem Land. Als Ursache für die Armut nennt er unter anderem die Wegrationalisierung von Jobs mit «einfachen» Anforderungen und schlägt dann als mögliches Mittel gegen die Armut die Frühförderung vor, damit «in Armut aufwachsende Kinder mehr Chancen bekommen sollen, um durch ansprechende schulische Leistungen später im Berufsleben zu reüssieren und so den prekären Lebensverhältnissen zu entkommen.»
    Wenn es doch so einfach wäre, die Armut aus der Welt zu schaffen! Doch Frühforderung wird kaum zum Verschwinden der Armut führen, sondern höchstens dazu, dass sich die «frühgeförderten» Kinder im schulischen Konkurrenzkampf um gute Noten und Berufschancen mit noch härteren Bandagen als bisher gegenseitig bekämpfen müssen. Zwar wird vielleicht das eine oder andere Kind mithilfe von Frühforderung etwas bessere schulische Leistungen erzielen, dies aber nur auf Kosten anderer Kinder, deren Chancen sich dadurch mindern. Weder an der Anzahl insgesamt vorhandener Ausbildungs- und Arbeitsplätze, noch am herrschenden Lohngefüge wird sich dadurch auch nur das Geringste ändern.
   Auch der Feststellung, Armut sei «ein komplexes Problem», ist zu widersprechen. Tatsache ist nämlich, dass Armut ein sehr einfaches Problem ist – vorausgesetzt, man spricht über deren tatsächliche Ursachen. Und diese liegen schlicht und einfach in der Natur des kapitalistischen Geld- und Wirtschaftssystems, in welchem auf hunderterlei verschlungenen Wegen unsichtbar Tag für Tag, Minute für Minute das Geld aus den Taschen der Armen in die Taschen der Reichen fliesst, von denen, die trotz härtester Arbeit immer weniger verdienen, zu denen, deren einzige «Leistung» darin besteht, möglichst viel zu besitzen oder aber einen Job auszuüben, in dem man aus unerfindlichen Gründen zwanzig oder dreissig Mal mehr verdient als in anderen Jobs, die aber für das Funktionieren der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft kein bisschen weniger wichtig sind. Die 590‘000 Armutsbetroffenen und die insgesamt 330‘000 Dollarmillionäre, welche zur Zeit in der Schweiz leben, sind daher nichts anderes als die beiden Kehrseiten der gleichen kapitalistischen Münze.
   Deshalb kann man die Armut nur wirksam bekämpfen, wenn man gleichzeitig auch den Reichtum bekämpft und das gestohlene Geld, das aus den Taschen der Armen in den Taschen der Reichen verschwunden ist, wieder zurückholt. Dies geht weder mit Frühförderung noch sonst irgendeinem Wundermittel, das schon vor 20 oder 30 Jahren gepredigt wurde und mit dem man uns bloss immer wieder Sand in die Augen gestreut hat, ohne dass damit auch nur ansatzweise verhindert werden konnte, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer noch weiter und weiter geöffnet hat. Lösen lässt sich das Problem einzig und allein durch den Aufbau einer von Grund auf neuen, nichtkapitalistischen Geld- und Wirtschaftsordnung, die nicht mehr auf Ausbeutung, sondern auf Gerechtigkeit beruht. So einfach ist das. Man muss es nur wissen.

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